Geisterstunde : Die Praxis der Unbildung ; eine Streitschrift

Liessmann, Konrad Paul, 2014
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Medienart Buch
ISBN 978-3-552-05700-5
Verfasser Liessmann, Konrad Paul Wikipedia
Systematik PE - Erziehungswissenschaften
Schlagworte Bildung, Bildungspolitik, Schulsystem
Verlag Zsolnay
Ort Wien
Jahr 2014
Umfang 190 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Konrad Paul Liessmann
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Michael Wildauer;
Gegen Uni-Rankings und kompetenzorientierte Pädagogik. (PN)
Eine "Streitschrift" nennt Liessmann im Untertitel sein Werk, es ist aber wohl eher Anklage und Warnung. 2006 hatte er mit der "Theorie der Unbildung" schon vielen Leuten aus der Seele gesprochen, im gleichen Jahr wurde er Österreichs Wissenschaftler des Jahres. Nun hat er, parallel zu Immanuel Kant, der sieben Jahre nach seiner "Kritik der reinen Vernunft" die "Kritik der praktischen Vernunft" veröffentlichte, sich der Praxis angenommen. Und auf eben diesen Kant beruft er sich, wenn er die Gesellschaft zu mehr Eigenverantwortung aufruft. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum der Mensch in selbstverschuldeter Unmündigkeit bleibt, und unsere Gesellschaft hat eine Kultur der Passivität entwickelt. Konsumieren ist das Leitbild, finanzieller Erfolg der Heilige Gral. Es gibt ein Überangebot an Beratern, die uns das Entscheiden abnehmen, egal ob Typen-, Einrichtungs-, Unternehmens- oder Sexualberater, das eigenständige Nachdenken verschwindet in einer Infantilisierung der Gesellschaft.
Andererseits wird der Kampf um Erfolg immer ausufernder, man hat nur mehr Zeit für das, was der Karriere nützt. Ausbildung statt Bildung, Powerpoint-Präsentation statt Gespräch. Das Buch ist ein absolutes Muss für alle Leute, die im Bildungswesen arbeiten, alle anderen können sich an einigen scharfsinnigen Bemerkungen und einer wunderbaren Sprache erfreuen. Die beliebte Liessmannsche Polemik wird bei diesem Thema von der Realität überholt, wer also wissen will, wie die kompetenzorientierte, ECTS-überprüfte Gegenwartspädagogik die Bildung derzeit mit Schwung an die Wand fährt, sollte noch heute zu lesen beginnen. Ohne anschließende Lesekompetenzevaluation für das individuelle Qualitätsmanagement.

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Quelle: Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (http://www.jungk-bibliothek.at/);
Mehrere Monate lang war dieser Titel in den Bestsellerlisten des österreichischen Buchhandels zu finden. Das ist gut so. Von berufener, oder besser, von offiziell befugter Stelle wurde indes kaum ein Einwand gegen diese luziden, streitbaren und zugleich sachlich höchst fundierten Einwendungen laut. K. P. Liessmann, einer der, wie mir scheint, zugleich um- und weitsichtigsten Vor- und vor allem auch Querdenker des Landes, sticht mit dieser Publikation tief in die Wunden der pädagogischen Zunft. Die fundierten Kenntnisse des Autors Liessmann war vor seiner universitären Karriere selbst Lehrer an einem Gymnasium gewährleisten, dass die hier vorgebrachten Einwände und Anregungen mit größtmöglicher Präzision vorgebracht werden.
In zehn Kapiteln, jeweils mit dem Adjektiv Gespenstisch eröffnet, kritisiert Liessmann den ungezügelten Hang zur Evaluierung im Bildungswesen. Mit Pisa und Bologna sei vor allem die Logik von Bildungskatastrophen (S. 23) zu assoziieren. Dem Sozialcharakter der Bildungsexperten, dem Verschwinden des Wissens oder der grassierenden Disziplinlosigkeit, hier verstanden als Erosion des tradierten Fächerkanons, sind weitere Abschnitte gewidmet. Vehement wendet sich Liessmann gegen die Tendenz, die Vermittlung von Wissen mit der Verwendung von PowerPoint gleichzusetzen, und bestechend klar vermittelt er die Risiken und Grenzen des globalen Netzes als Ort des unbegrenzten Wissens; nicht minder scharf kritisiert er aber auch die Infantilisierung der Pädagogik, durch die Wissenserwerb kaum noch mit Mühe und Arbeit assoziiert, sondern als Konsumhaltung missverstanden werde. Das Lob einer zweckfreien Bildung in der Tradition Humboldts, sarkastische Anmerkungen über die wachsende Unfähigkeit sinnerfassenden Lesens ist Analphabetismus gar das geheime Bildungsziel? , pointierte Einwände gegen die Diktatur der Geschäftigkeit Für die Statistiken der Bildungspolitiker und Bildungsökonomen ist es wichtig, dass möglichst viele Besucher einer so genannten Universität auch möglichst rasch fertig werden. (S. 157) sowie ein Plädoyer für die Wiederentdeckung der Schönheit des Nutzlosen runden diesen hellsichtigen und mutigen Band ab. Es ist davon auszugehen, dass er an Aktualität so bald nichts verliert. Umso eindringlicher sei er zur Lektüre und Reflexion empfohlen. Walter Spielmann

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