Verbrannte Kindheit : 1677-1679 ; die vergessenen Kinder der Hexenprozesse um den Zauberer Jackl

Fürweger, Wolfgang, 2015
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Medienart Buch
ISBN 978-3-8000-7606-2
Verfasser Fürweger, Wolfgang Wikipedia
Systematik GE.N - Geschichte Neuzeit
Schlagworte Armut, Salzburg, Hexenprozesse, Hexenverfolgung, Ausgrenzung, Zauberer Jackl
Verlag Ueberreuter
Ort Wien
Jahr 2015
Umfang 207 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Wolfgang Fürweger
Illustrationsang Ill., Kt.
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Andreas Waltenstorfer;
Fundierte Aufbereitung der historischen Hintergründe der Kinder-Hexenprozesse im barocken Salzburg auf Basis der Prozessunterlagen. (GE)
Dank Felix Mitterers Werk "Die Kinder des Teufels" sind der Zauberer Jackl und die mit seinem Namen verbundenen Hexenprozesse im Fürsterzbistum Salzburg literarisch Interessierten nicht unbekannt. Aber auch wenn sich viele LeserInnen eines realen historischen Hintergrundes bewusst sind, wissen doch wohl nur wenige, dass es sich bei diesem Prozess in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht nur um einen der spätesten, sondern auch einen der umfangreichsten und grausamsten Hexenprozesse handelte. 124 Bettler und Landstreicher, zum Großteil Kinder und Jugendliche, wurden unter dem Vorwurf der Zauberei als Gefolgsleute des Zauberer Jackls verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aufgrund ihres Alters und der sozialen Herkunft waren sie unfähig, sich gegen die Fangfragen der Inquisition zu wehren, und haben unter dem Druck der Folter in der Hoffnung auf Gnade lawinenartig weitere Beschuldigungen ausgesprochen.
Auf Basis der originalen Prozessunterlagen schildert der Autor den Prozessverlauf und liefert erschütternde Eindrücke von Gesellschaft und Justiz des Barock sowie von der brutalen Methode der Obrigkeit, sich eines sozialen Problems unter Ausnutzung gesellschaftlicher Ängste und Vorurteile "legal" zu entledigen. - Die heute allerorts aufkeimende Diskussion um Bettelverbote zeigt, wie hochaktuell das Thema nach wie vor ist, wie sehr der Anblick von Bettlern immer noch viele stört und wie verstörend so mancher Ansatz ist, das "zivilisierte" Straßenbild von bettelnden Frauen und Kindern zu befreien. Ein spannendes Werk, das traurig und in Anbetracht der gegenwärtigen Diskussionen auch nachdenklich stimmt. Sehr empfehlenswert für alle Bestände.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Schon griechische und römische Soziologen haben in ihren antiken Essays darüber geklagt, dass die Jugend noch nie so schlimm gewesen sei wie die jeweils gegenwärtige. Und auch in der Gegenwart täuschen die besten pädagogischen Modellversuche nicht darüber hinweg, dass die Gesellschaft in vielen Angelegenheiten von den Jugendlichen gefordert und überfordert ist.
So sind die in der Öffentlichkeit diskutierten "Bettlerbanden" von Jugendlichen, die angeblich gewisse Städte unsicher machen, genauso Ausdruck von Hilflosigkeit wie der Kampfeinsatz frustrierter Jugendlicher in kaputten Staatsgebilden Syriens und des Irak.
Vergessen wird bei diesen sozialen Auswüchsen die Tatsache, dass die sogenannte Jugend immer wieder verführt, durch falsche Ideale verhext und in die Inhumanität getrieben worden ist.
Im Raum Tirol und Salzburg kommt es in den Jahren 1677 bis 1679 zu völlig aus den Fugen geratenen sogenannten Hexenprozessen. Einerseits stilisiert man dabei einen gewissen Jakob Koller zum "Zauberer Jackl" hoch und macht ihn für allen kriminellen Kleinkram verantwortlich, andererseits baut man ihn als Bandenkopf auf, der ganze Jahrgänge von Jugendlichen verführt haben soll. Ausforschung, Gerichtsverfahren und Dokumentation unterliegen den Spielregeln brutaler Folter, weshalb auch Jugendliche ohne Gnade hingerichtet werden.
Wolfgang Fürweger stellt diese Dokumentation über ein düsteres Kapitel inneralpiner Pädagogik ganz in den Dienst einer möglichst emotionslosen Aufklärung. Das Schicksal der Delinquenten geht dabei ohnehin unter die Haut, weshalb sich der Autor nach einer kurzen theatralischen Sequenz von Felix Mitterers "Die Kinder des Teufels" auf den puren Ablauf der Hexenprozesse konzentriert.
Der Verführer der Jugend, das große Grauen, Schnellverfahren mit vorgefertigten Geständnissen, Folter und Haftbedingungen, Adelstitel als Belohnung lauten die Kapitelüberschriften für ein Verfahren, das sich phasenweise verselbständigt hat und von niemandem mehr eingedämmt werden kann. Diese von Vorurteilen gespeiste Dramaturgie zeigt ernüchternd, dass mit Gewalt gegen Andersdenkende letztlich nur die Bewohner ganzer Landstriche traumatisiert werden, wenn sie die Maßnahmen der Behörden überhaupt überleben.
Zwei Listen im Anhang sprechen für sich: die Liste der Opfer der Verfolgung und die Liste der Stadt-, Land- und Pflegegerichte. Parallel gelesen tut sich der Verdacht auf, dass jedes Gericht eine Hinrichtung braucht, um vom System anerkannt zu werden.
Wolfgang Fürwegers "Verbrannte Kindheit" ist ein Jugendbuch der besonderen Art. Es zeigt die fragile Grenze zwischen entgleister Erwachsenenwelt und entgeisterter Jugend. Und diese dämonische Formel schwebt über allen Gesellschaften weit jenseits des Hexenwahns.
Helmuth Schönauer

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